Namárië, Mittelerde! 

Nach 444 Filmminuten verabschiedet sich Peter Jacksons Hobbit-Trilogie mit „Die Schlacht der fünf Heere“ von der großen Filmbühne. Zeit für ein ungeschöntes Abschiedsresümee.

 

Regisseur Peter Jackson scheint alles richtig gemacht zu haben. Der dritte Teil seiner Hobbit-Trilogie, „Die Schlacht der fünf Heere“, hat weltweit bereits 500 Millionen US-Dollar eingespielt.

 

Zugegeben, der letzte Teil des Mittelerde-Epos ist großes Kino: 144 Minuten beste Blockbuster-Unterhaltung, Technik und Spezialeffekte auf Spitzenniveau. Ich habe mich im Kino keine Minute gelangweilt. Ganz im Gegenteil.

 

Trotzdem will sich die große Begeisterung, bzw. der zu erwartende Abschiedsschmerz, nach dem Abspann einfach nicht einstellen. Eine Ursachensuche.

Symptomatisches Scheitern


„Die Schlacht der fünf Heere“ krankt schlussendlich an den selben Symptomen wie schon Teil 1 und 2 der Hobbit-Trilogie: ein unnötiger Hang zur Dramatisierung, unschöne Logik-Lücken, überflüssige Handlungsstränge und eine unverständliche Defokussierung, was die Hauptcharaktere betrifft. 


Klar, die filmische Adaption einer komplexen Buchvorlage stellt ganz eigene Anforderungen an Story, Setting und Spannungsbogen. Hier muss der Regisseur den nötigen Spielraum haben, um kreativ mit dem Stoff - hier J.R.R. Tolkiens Kinderbuch „Der Hobbit“ - umgehen zu können. Keine Frage. 


Dass Peter Jackson dieser besonderen Herausforderung durchaus gewachsen ist, beweist seine grandiose „Der Herr der Ringe“-Trilogie. Hieran muss sich „Der Hobbit“ messen lassen. Und scheitert kläglich. Fünf exemplarische Gründe: 

Genug der Aufregung!

 

„Der kleine Hobbit“, wie Tolkiens Roman noch in der deutschen Erstauflage hieß, ist spannend. Es ist ein Kinderbuch, aber es ist spannend. Spannend genug als Vorlage für einen Kinofilm, möchte man meinen. Hollywood war da offensichtlich anderer Ansicht. 

 

Da werden längst besiegte Feinde ohne Not reanimiert (Orkhäuptling Azog), um eine abstruse Hetztjagd auf die Zwerge zu inszenieren.

 

Ein Drache (Smaug) liefert sich müßige Scharmützel mit den Zwergen im Einsamen Berg, anstelle sich ohne Umwege zur Seestadt aufzumachen und die Handlung logisch voranzutreiben. 

 

Und ein Zwergenkönig (Thorin) wird mit einem Schatz-Fluch belegt, der ihn in den Wahnsinn treibt. Dabei ist Thorin lediglich starrköpfig und geizig (wie Zwerge nun einmal so sind). 

 

Alles, um mehr Dramatik und mehr Spannung ins Spiel zu bringen. 

 

Als wären Trolle, Riesenspinnen, Drachen, Orks und ihre Häuptlinge (allen voran der Große Ork im Nebelgebirge und Bolg mit seiner Leibwache) als Gegenspieler für den kleinen Hobbit nicht aufregend genug. 

Von offenen Fragen und logischen Lücken 


Man muss kein Tolkien-Purist sein, um über die vielen kleinen bis mittelgroßen Ungereimtheiten in der Story zu stolpern. Im Gegenteil, gerade für Mittelerde-Neulinge bleiben am Ende der Hobbit-Trilogie viele Fragen offen: 


Was passiert nach der „Schlacht der fünf Heere“ mit dem Arkenstein? 

Wer wird nach Thorins Tod König unter dem Berge? 

Welches Schicksal ereilt den unausstehlichen Alfrid, der dem Bürgermeister der Seestadt dient? 


Fragen über Fragen. Ein paar von ihnen beantwortet immerhin die Extended Edition auf Blu-ray und DVD. 

Elbin liebt Zwerg - echt jetzt? 

 

Viele dieser logischen Lücken ergeben sich überhaupt erst, weil überflüssige Handlungsstränge der Story hinzugefügt wurden. 

 

Alfrid, der nervige Lakai des Bürgermeisters der Seestadt - für die Filmtrilogie frei erfunden. Um ihn dann am Ende der Geschichte mit den Taschen voller Gold davonkommen zu lassen?

 

Azog, der Schänder, der davon besessen ist, Zwergenkönig Thorin persönlich zur Strecke zu bringen. Die Motivation des Orks erschließt sich einem als Zuschauer auch nach 444 Filmminuten nicht so ganz. Egal. Hauptsache es kann am Ende von Teil 3 zum schaugewaltigen Showdown der beiden Kontrahenten kommen. 

 

Gandalf und der Weiße Rat auf den Spuren des Nekromanten (= Sauron) - schön und gut. Radagast darf mit seinem Kaninchen-Schlitten durch den Düsterwald heizen - naja. Bard, der Bogenschütze, darf nicht nur - wie in der Buchvorlage - den Drachen töten, sondern bekommt seine eigene Geschichte in der Geschichte, komplett mit Kindern, schwarzem Pfeil und jeder Menge Action. Auch noch akzeptabel. 

 

Aber: Eine erfundene Elbin (Tauriel) verliebt sich in einen der 13 Zwerge (Kili) und zieht diesen auch noch Legolas, dem Sohn des Elbenkönigs, vor? Diese Dreiecksbeziehung ist an alberner Absurdität kaum zu überbieten, bekommt von Jackson und seinem Team aber tatsächlich einen eigenen Handlungsstrang spendiert. 

 

Hätte Legolas lediglich einen Cameo-Auftritt in „Der Schlacht der fünf Heere“ bekommen und dort als Elbenkrieger unter den Orks so richtig aufgeräumt, wäre das ein netter Verweis an die Ring-Trilogie gewesen und hätte dem Hobbit-Plot nicht weiter geschadet.

Den Heldentod verwehrt 

 

Doch all diese ausufernden Story-Add-ons führen schlussendlich leider dazu, dass die eigentliche Geschichte und ihr eigentlicher Held, Bilbo Beutlin, im Getümmel von Nebenschauplätzen, erfundenen Nebencharakteren und anderen Nebensächlichkeiten untergehen. 

 

Auch andere Charaktere werden Opfer dieser fantasievollen Hinzudichtungen: Die Zwerge Fili und Kili streben am Ende der Hobbit-Trilogie einen sinnlosen Tod. Ganz anders in der Buchvorlage von J.R.R. Tolkien: 

 

„Von Thorins zwölf Gefährten blieben nur noch zehn: Fili und Kili waren gefallen, als sie ihn mit ihren Schilden und Leibern deckten, denn er war der ältere Bruder ihrer Mutter.“

 

Die Story filmisch anzupassen, schön und gut. Aber ist es wirklich notwendig, den Plot so stark zu verändern, dass dabei Personal, Charaktereigenschaften und gar Schicksal der Helden dermaßen verfremdet werden? 

 

Gerade Fili und Kili hätte man den Heldentod in der Schlacht an Thorins Seite wirklich nicht verwehren dürfen. Sie haben Besseres verdient. 

Protagonist oder Running Gag?

 

Ähnlich verhält es sich an vielen Stellen der Hobbit-Trilogie mit Bilbo Beutlin. Ist er nicht der Titelheld der Geschichte?

 

In Peter Jacksons Filmfassung des Hobbits könnte man vielmehr meinen, der Halbling sei ein Running Gag am Rande, nicht aber Held und Titelgeber der Trilogie.

 

Was umso unverständlicher ist, da Martin Freeman als Bilbo Beutlin so unglaublich viel mehr Potenzial gehabt hätte, diesem facettenreichen Charakter gerecht zu werden. 

 

So sind die stärksten Szenen der Film-Trilogie auch diejenigen, die den Hobbit in den Mittelpunkt stellen und gleichzeitig sehr nah an Tolkiens Text sind: 

 

Die „Rätsel im Dunkeln“ mit Gollum; Bilbos Zwiegespräch mit Smaug, dem Drachen; und die simple, aber umso bewegendere Szene ganz am Schluss, nach der „Schlacht der fünf Heere“, in der Bilbo den Tod von Thorin Eichenschild beweint: 

 

„Sobald er alleine war, setzte er sich hin, nahm eine Decke um, und, ob ihr es glaubt oder nicht, er weinte, bis er rote Augen und eine heisere Stimme bekam: Er hatte ein gutes, freundliches Hobbitherz.“

 

Diese simplen Worte Tolkiens hallen nach dem Lesen noch lange nach, bleiben im Hirn und im Herz. Was Peter Jacksons Hobbit-Filmen leider nicht gelingen mag. 

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