UPDATE 20.11.2012
Abendzeitung Nürnberg, Frankfurter Rundschau, Financial Times Deutschland - das große Zeitungssterben scheint nun offiziell begonnen zu haben.
Zumindest ist das Thema jetzt auch überregional in den Medien angekommen, online wie offline.
Über das bittere Aus für die AZ Nürnberg wurde Ende September hingegen kaum berichtet. Daher freut es mich jetzt umso mehr, dass sich (mit ein wenig Verspätung) doch noch ein Ex-Kollege
öffentlich zu dem Thema zu Wort gemeldet hat:
Eberhardt Ergenzinger, ehemaliger Sport-Ressortchef der Nürnberger AZ, war zu Gast in der Comedy Lounge Nürnberg - ein sehenswertes Interview!
UPDATE 29.09.2012
Die AZ Nürnberg sagt Ade - und niemanden interessiert es. Was eigentlich in der letzten Ausgabe der Nürnberger Abendzeitung hätte stehen sollen...
UPDATE 27.09.2012
Nun ist es offiziell: Am Samstag erscheint die letzte Ausgabe der Abendzeitung Nürnberg. Die Suche nach einem Investor ist offensichtlich gescheitert.
Auch wenn dieses Ende nicht überraschend kommt - es schmeckt bitter. Sehr bitter sogar. Ade, liebe AZ!
Warum man die angeschlagene Nürnberger Abendzeitung in Würde sterben lassen sollte
"Droht der Nürnberger Abendzeitung das Aus?"
Diese Schlagzeile des Bayerischen Journalisten Verbands hat mich sehr betroffen gemacht. Auch wenn ich nicht unmittelbar vom Niedergang der Zeitungslandschaft in der Noris betroffen bin - nicht
mehr zumindest.
Trotzdem verbindet mich mit Deutschlands ältester Boulevardzeitung (das 8-Uhr-Blatt wurde 1919 gegründet), bei der ich zwischen 2006 und 2008 mein Redaktionsvolontariat absolviert habe, immer noch viel: persönliche Beziehungen zu früheren Kollegen und jede Menge Erinnerungen an prägende Erfahrungen. So wie das bei der ersten Station im Berufsleben eben so ist.
Traurige Entwicklung - aber vorhersehbar
Ich fühle mit den Mitarbeitern und ehemaligen Kollegen dort, kann mich gut in ihre Situation hineinversetzen. Und dennoch...
Eine schwindende Leserschaft und damit stetig sinkende Auflage, nicht genug Erlöse aus dem Anzeigengeschäft - die Probleme des traditionsreichen Boulevardblatts kommen nicht von ungefähr. Und schon gar nicht aus heiterem Himmel.
Jenseits von kulturnostalgischem Idealismus
Ja, es ist traurig, sollte mit der Abendzeitung Nürnberg tatsächlich wieder ein Stück gedruckter Meinungsvielfalt aus Franken und der deutschen Zeitungslandschaft verschwinden. Und dennoch...
Streift man den kulturnostalgischen Idealismus ab, der sich ängstlich an die lieb gewonnen Papierseiten klammert, muss man sich ernstlich fragen:
Wer würde die Abendzeitung Nürnberg tatsächlich vermissen?
Klar, es würde wohl einige Nürnberger geben, denen der Anblick des stillen AZ-Verkäufers morgens an der Bushaltestelle fehlen würde. Die sich dann aber, ohne größeres Bedauern, die aktuelle Ausgabe der Bild-Zeitung aus dem roten Automaten nebenan ziehen würden.
Und alle anderen?
Die halten Zeitungen (natürlich!) für ein schätzens- und schützenswertes Kulturgut. Aber lesen wollen sie sie eigentlich nicht. Und wenn, dann möchte man sich in der U-Bahn eben doch lieber mit einer Süddeutschen oder der Zeit schmücken - und nicht mit einem regionalen Boulevardtitel auf dem Überschriften wie "Sex-Monster" und "Horror-Crash" prangen.
Sich das einzugestehen, tut weh. Und dennoch...
Es nützt niemandem etwas, die Augen davor zu verschließen, dass das althergebrachte Medien-Modell Tageszeitung allmählich aus unserem Alltag verschwindet. Schuld sind wir, die Generation der Nicht-Abonennten.
Und mitschuldig sind die Zeitungsmacher, Verleger, Redaktionsleiter und Chefredakteure, die vor dieser gesellschaftlichen Entwicklung jahrelang die Augen verschlossen haben.
"Puh, das war jetzt aber ein wenig dünn oder?"
Symptomatisch dafür ist bei der Abendzeitung Nürnberg beispielsweise die fehlende Relevanz der redaktionellen Inhalte online und im Social Web.
Es gibt auf der Homepage zwar einen Blog - juhu! Der letzte Post ist allerdings mehr als zwei Monate alt. Und wurde nur einmal kommentiert: "Puh, das war jetzt aber ein wenig dünn oder?"
Gut 2.000 Facebook-Fans und 160 Follower bei Twitter lassen leider auch nicht gerade darauf schließen, dass sich die Abendzeitung Nürnberg online besonders großer Beliebtheit erfreut. Wie auch? Das Beste, was dort an Inhalt geboten wird, ist das Titelbild, das den Facebook-Auftritt mit einer Panorama-Ansicht der Nürnberger Altstadt aufhübscht.
Relevanz sieht anders aus
Diesen eklatanten Entwicklungsrückstand aufzuholen, wird für die Abendzeitung Nürnberg - vorsichtig ausgedrückt - alles andere als einfach werden. Ob mit oder ohne neuem Investor.
Persönlich würde ich mir natürlich wünschen, dass die AZ gerettet wird. Schon aus ehrlicher Empathie für die Mitarbeiter. Doch mit welcher Perspektive?
Abgesehen davon, dass von "unserer AZ" - der mit dem hoch geschätzten Feuilleton, dem unverwechselbaren Sportteil, den echt fränkischen Kolumnen und den besten Pressefotos der Stadt - schon seit Längerem kaum noch etwas übrig ist, das sich zu retten lohnen würde.
Traurig - und dennoch...
Es wäre das Gnädigste, die Abendzeitung Nürnberg einfach in Würde sterben zu lassen.
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Rike (Donnerstag, 27 September 2012 23:32)
Danke, das sehe ich auch so. Sehr großzügig von dir, dass du dir Bemerkungen zum Thema optische Qualität (Layout und Hompagedesign) verkniffen hast. ;-)
Anna Ermann (Samstag, 29 September 2012 11:07)
Danke für Deinen Kommentar und die Zustimmung, Rike!
Über Layout und nicht vorhandenes Design braucht man wirklich keine Worte zu verlieren ;-) Trotzdem tut's mir in der Seele weh, die AZ so von uns gehen zu sehen...
Medien-Gerch (Freitag, 12 Oktober 2012 09:06)
Des passt scho so...es wurde Zeit daß die hohen Herren der vom Müller-Verlag geführten AZ mal ein bisschen gestutzt wurden. Leider passiert den Oberen nix, die haben weiterhin ihre Pöstchen und werden von dort weiter große Töne spucken...die Dummen sind wieder mal die Mitarbeiter. Im Zeitungs- und Anzeigengeschäft was vernünftiges zu finden wird schwer sein da diese Branche sich selbst zerlegt und die Leuchtfeuer am Horizont nicht sieht. "Good luck", ich fühle mit Euch.